Einblicke in die Gamingwelt als Beruf
Gamen ist dabei alles andere als sinnlos
Cédric Schlosser und sein Team bei MYI Entertainment sorgen seit 2009 durch die Organisation von verschiedenen E-Sports-Events wie der TCS eSports League with Opel, dass Gleichgesinnte aus der Schweizer Gaming-Community sich untereinander vernetzen und austauschen können.
Mit Co-Gründer und CEO von MYI Entertainment Cédric Schlosser haben wir über die Anfänge der ersten Gaming-Agentur der Schweiz gesprochen, die ursprünglich als Gamer-WG und Verein im Bernerischen Kirchlindach begann, und was ihn dabei antrieb, seine Leidenschaft zum Beruf zu machen.
Opel: Cédric, was fasziniert dich an E-Sports am meisten?
Heute und aus Business-Sicht fasziniert mich am meisten, dass es eine Generation von jungen Menschen schaffte, ein ganzes Ökosystem aufzubauen. Früher war es das gemeinsame Zocken mit Freunden und die Internationalität, die man im E-Sports antrifft. Ich reiste viel herum und besuchte Leute, die ich beim Spielen kennengelernt habe. Ich war auch immer derjenige, der lokale, aber auch internationale Treffen und Events organisierte. Rückblickend ist es schon faszinierend, wie wir als junge Leute immer wieder sowas auf die Beine gestellt haben – und zwar zu 100% ehrenamtlich und aus reiner Leidenschaft.
Von den Anfängen wie LAN-Parties in einem Kirchensaal, bis hin zu einer Gaming-WG, in der auch mal internationale E-Sport-Stars logierten. Was trieb dich an, neue Sachen im Bereich Gaming auszuprobieren?
Während die meisten meiner Gamer-Kollegen eine Informatiklehre absolvierten, machte ich eine Lehre auf der Bank und war in meiner Klasse auch der einzige Gamer. Ich überlegte also, wie ich mehr Zeit mit Gleichgesinnten verbringen kann und so begann ich zusammen mit anderen, Events oder Treffen für Gamer zu organisieren.
Warst du schon immer fest davon überzeugt, dass du vom Gaming und der Szene drum herum einmal leben würdest?
Der Gedanke kam erst so mit etwa 20. Damals gewann einer unserer Starcraft 2 Spieler das erste Dreamhack-Turnier in und waren dadurch auf einmal ein weltweit berühmtes Team. Da realisierten wir, dass da mehr gehen kann und wir setzten uns zum Ziel, irgendwann mal gemeinsam im selben Büro zu arbeiten. Das Ziel blieb aber immer unrealistisch, bis wir es schlussendlich erreichten. Gibt es hier Präzisierung, wann es realistisch wurde? Wie lange das ging?
Gab es auch einmal das Ziel, professioneller Gamer zu werden?
Ja, zwischen 15 und 19 war das ganz klar mein persönliches Ziel. Ich war damals auch zusammen mit meinem Team Schweizer Meister in Call of Duty. Doch als wir dann an einem Turnier in Prag gegen die internationale Elite antraten und absolut chancenlos waren, war mir klar, dass nichts aus der Profi-Gamer-Karriere werden würde.
In der E-Sports-Szene gibt’s so manche Überflieger. Hast du auch E-Sports-Vorbilder?
Ich würde mich nicht mehr als Fan von irgendwelchen Spielern bezeichnen. Es gibt aber schon einige Gamer, denen ich sehr gerne beim Spielen zuschaue. Das Interesse besteht aber aufgrund ihres Skillsets und weil ich ihren Playstyle mag.
Bedeutet Gaming für dich eher Entspannung oder Arbeit?
Es kann beide Facetten annehmen. Gaming ist während der Arbeitszeit das zentrale Thema und dann auch ganz klar Arbeit. Wenn ich aber in meiner Freizeit Games wie Dota2 spiele, dann ist Gaming definitiv Entspannung.
Wie viele Stunden pro Tag/Woche verbringst du mit Gamen?
Wenn ich es schaffe, dann spiele ich drei Tage in der Woche so zwei Stunden.
Bist du ein treuer PC-Gamer oder spielst du genauso häufig auch mit Konsolen?
Ich bin ein PC-Gamer durch und durch. Auf Konsolen spiele ich höchstens mal bei Freunden oder so.
Welche Ratschläge würdest du jungen Menschen auf den Weg geben, die sich intensiv mit Gaming auseinandersetzen und selbst von einer Karriere in diesem Bereich träumen?
Die Frage wird mir noch häufig gestellt und ich gehe hier meistens gleich vor. Zuerst frage ich, ob du das Gefühl hast, dass du Profi werden kannst. Wenn die Frage bejaht wird, dann hat das zwei Konsequenzen. Einerseits musst du dich darauf konzentrieren, wirklich gut zu werden, was sehr harte Arbeit ist und viel Commitment braucht. Andererseits empfehle ich, gleichzeitig im Gaming-Bereich zu ‘volunteeren’ und beispielsweise bei Events mitzuhelfen. So kommst du schneller in die Szene und du lernst vielleicht genau die Person kennen, die dich in ein Team bringen kann.
Wenn die Profi-Karriere nicht dein Ziel ist, gibt es ebenfalls zwei Wege. Entweder kannst du etwas Game-Spezifisches lernen, z.B. Gamedeveloper oder du gehst deinen 'normalen' Karriereweg weiter und intensivierst über die Zeit dein Volunteering, bis sich eine Karrieremöglichkeit in der Gaming-Branche auftut.
Wenn du nicht selbst für eure Agentur im Einsatz bist oder zuhause zockst, welchen weiteren Hobbies gehst du nach?
Ich gehe leidenschaftlich Klettern oder Bergsteigen. Und kürzlich haben ein Freund und ich zusammen einen kleinen Weinberg im Wallis erstanden und wir versuchen uns jetzt - bisher erfolglos – als Winzer.
Wenn du nicht selbst für eure Agentur im Einsatz bist oder zuhause zockst, welchen weiteren Hobbies gehst du nach?
Ich gehe leidenschaftlich Klettern oder Bergsteigen. Und kürzlich haben ein Freund und ich zusammen einen kleinen Weinberg im Wallis erstanden und wir versuchen uns jetzt - bisher erfolglos – als Winzer.
Aktuell habt ihr eine Zusammenarbeit mit einem Hotel, das Luxus Gaming Bootcamps anbietet, am Laufen. Wie wichtig ist generell das Gemeinschaftsgefühl beim Gaming?
Mir ist das sehr wichtig und ich spiele am liebsten zusammen mit meinen Freunden. Ein Gemeinschaftsgefühl kann aber auch aufkommen, wenn man mit fremden Menschen zusammen zockt. Ich würde gar behaupten, dass das Gemeinschaftsgefühl einer der Haupttreiber beim Gamen ist.
Gibt’s die Gaming-WG in Kirchlindach noch?
Nein, die WG gibt es nicht mehr. Aber unser Office ist dafür ein Wohnatelier, somit schwingt das WG-Gefühl noch immer ein bisschen mit.
Beim Fussball hört man immer wieder Stories von rivalisierenden Vereinen. Geht’s beim E-Sport immer friedlich zu und her oder gibt’s da auch Rivalitäten unter Teams?
Doch, es gibt schon immer wieder Rivalitäten unter den verschiedenen Teams. Diese sind aber sicher nicht ganz so extrem wie sie teilweise im Fussball der Fall sind. Ich muss auch sagen, dass sich zum Beispiel unsere Rivalitäten mit dem Älterwerden beruhigt haben.
Schon vor einiger Zeit habt ihr Daten geliefert für einen im Tagesanzeiger erschienenen Artikel mit dem Titel «Vergesst die Gamer-Klischees!». Welche Klischees sind deiner Meinung noch gegenwärtig, aber nicht wahrheitsgemäss für die Mehrheit der heutigen Gamer-Community?
Am häufigsten werde ich mit den Begriffen «Sucht» und «Sinnlosigkeit» konfrontiert.
Gamen ist dabei alles andere als sinnlos. Es fördert eine Vielzahl an Skills und ist auch äusserst sozial, wenn man Multiplayer-Spiele spielt. Ein erhöhtes Suchtverhalten würde ich dem Gamen auch nicht attestieren.
Mit dem Format HeroFest zusammen mit der BERNEXPO bedient ihr euch weiterer «Nerd-Entertainment-Formate» wie Cosplay oder sogar Drohnenrennen. Was assoziierst du mit dem «Nerd»-Begriff? Würdest du dich selbst als Nerd bezeichnen?
Ich bin definitiv ein Nerd. Für mich ist ein Nerd jemand, der von einem Thema enorm fasziniert ist und sich in das Thema hineinsteigern kann. Ich finde, das ist etwas, das die meisten Leute viel häufiger machen sollten. Für mich ist Begeisterungsfähigkeit für ein Thema eine grandiose Charaktereigenschaft und etwas, das viel zu selten anzutreffen ist.
«Was als Hobby begann, ist mittlerweile unser Beruf.» Was war deine Motivation für die Firmengründung?
Wir erreichten den Punkt, an dem wir all die Arbeit nicht mehr neben unserem regulären Job unterbringen konnten und dann entschieden wir uns, die Firma zu gründen und alles darauf zu setzen.
2008 habt ihr als Verein LAN-Parties organisiert, ein Jahr später eine Firma gegründet und sogar bis zu 50% eures Salärs in die Firma gesteckt. Kam der Erfolg für dich und deine Kollegen überraschend oder habt ihr fest damit gerechnet?
Überraschend kam der Erfolg nicht. Aber wir haben auch nie damit gerechnet bis zu dem Zeitpunkt, als der Erfolg eingetreten ist.
Als mYinsanity habt ihr regelmässig an Wettkämpfen quer durch Europa teilgenommen. Seid ihr immer noch als E-Sports-Team unterwegs? Wie hat sich dies durch die Corona-Pandemie geändert?
Das E-Sports-Team gibt es noch immer, besteht aber im Gegensatz zu früher nur aus Schweizer*innen. Mit Corona änderte sich nicht viel. Aber es war cool, dass durch die Pandemie Gaming als etwas Wertvolleres anerkannt wurde als einfach TV schauen.
Als Unterstützer der NGO «Right to Play» zeigt ihr auch karitatives Engagement auf und unterstützt damit, dass Spielen und damit einhergehend kognitive Fähigkeiten, Selbstvertrauen und Kreativität in unterschiedlichsten Nationen gefördert wird. Wie wichtig ist es euch, einen Teil eures Gewinns zurück in die Community zu stecken?
Für uns ist das sehr wichtig. Wir glauben, dass für alle Spielen in jeglicher Form enorm wichtig ist, und deshalb unterstützen wir «Right to Play» sehr gerne und arbeiten auch eng mit ihnen zusammen.
Eure Firma MYI Entertainment wuchs in den letzten Jahren rasant an. In Deutschland habt ihr nun euer erstes Satellite-Office gegründet. Was steht als Nächstes an?
Deutschland wird uns bestimmt noch einige Zeit beschäftigen und wir werden uns sicher erst einmal darauf fokussieren. Der nächste Schritt wird die Expansion in eine weitere Sprachregion. Wann dies der Fall sein wird, wissen wir aber noch nicht.